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Wozu Projekte und Prozesse

Schuld an allem ist Adam Smith! Er hat sich die Arbeitsteilung ausgedacht. Manche meinen, er habe die Arbeitsteilung nicht erfunden, sondern nur beschrieben. Mag sein. Schließlich geht es hier nicht um Personen, sondern um eine Erscheinung.

So ist das Leben. Sobald wir eine Lösung für ein Problem finden, erweist sich die Lösung nach einer gewissen Zeit selbst als Problem. Zum Beispiel die Arbeitsteilung. Sie ermöglicht uns in einigen Fällen die Arbeitsproduktivität zu steigern und sorgt in anderen Fällen für Probleme mit der Arbeitsproduktivität.

Einerseits ist die Spezialisierung ein Gut: Um etwas gut zu können, muss man lernen, trainieren, sich spezialisieren. Das ist ganz offensichtlich. Wir wählen unseren zukünftigen Beruf, absolvieren eine Ausbildung, studieren an der Universität und werden qualifizierte Wirtschaftsfachleute, Technologen, Schlosser, Werbeleute und Programmierer.

Nach dem Studium gehen wir in ein Unternehmen, in Abteilungen… und dort stellen wir fest, dass sich für einen Angestellten, der in eine Hierarchie geraten ist, die Prioritäten verschieben. Die eigenen Interessen und die Interessen seines nächsten Umfelds, die der Kollegen aus der Abteilung, werden wichtiger als die des Unternehmens. Wir sind gut ausgebildete Fachleute, wir demonstrieren auf unserem Gebiet eine herausragende Produktivität. Die Produktivität eines Angestellten oder einer Abteilung garantieren jedoch nicht die Effizienz des Unternehmens. Der Unterschied zwischen dem, “wozu wir in der Lage sind” und dem, was wir “wirklich demonstrieren” kann enorm sein.

Zu Zeiten Adam Smiths und später zu Zeiten Taylors war das Problem weniger dramatisch, denn es ging vor allem um die Arbeitsteilung von Produktionsarbeitern. Wenn jeder Arbeiter seine Aufgabe kennt und der Ablauf der Operationen festgelegt ist, stellt die Organisation einer effizienten Zusammenarbeit keine schwere Aufgabe dar. Sie normieren die Arbeitszeit für jede Operation und berechnen, ausgehend vom geforderten Tempo des Ausstoßes, den Rhythmus des Fließbands und die Anzahl der Arbeiter für jede Produktionsstufe. So entstand die wissenschaftliche Planung des Workflow.

Die ersten Schwierigkeiten tauchen auf, wenn es nicht mehr nur um die Herstellung der Nähnadeln von Adam Smith oder das legendäre Modell T geht, “dessen Farbe beliebig sein kann, unter der Bedingung, dass seine Farbe schwarz ist”, sondern um vielfältigere Prozesse. Je größer und breiter das Sortiment der hergestellten Erzeugnisse ist und je mehr Arbeitsgänge, sprich Produktionsabteilungen, notwendig sind, um das Rohmaterial in ein fertiges Erzeugnis zu verwandeln, umso verschwommener wird der Arbeitsablauf. Im Westen sucht man Hilfe beim Computer und es entstehen Systeme wie MRP, MRP-II, ERP, APS… Die Japaner gehen ihren eigenen Weg und entwickeln just-in-time und den “analogen Computer” Kanban. Mit einer dieser Methoden (oder eher einer Mischung daraus) wird das Problem auf die eine oder andere Weise gelöst.

Es wird jedoch noch problematischer, wenn es nicht um die technologischen Prozesse in den Produktionshallen geht, sondern um Geschäftsprozesse im Büro. Hier kommen zusätzliche Herausforderungen wie das Multitasking, das Fehlen von Schablonen und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit hinzu.

Multitasking bedeutet, mehrmals am Tag (oder sogar innerhalb einer Stunde) von einer Arbeit auf die nächste umzuschalten. Die Produktionsarbeiter am Fließband beschweren sich über die Monotonie ihrer Arbeit. Im Büro ist heute genau das Gegenteil der Fall. Je qualifizierter, erfahrener und verantwortungsvoller die Angestellten sind, umso mehr wird ihnen aufgeladen und umso gefragter sind sie bei allen Prozessen.

Es gibt zwei natürliche Abwehrreaktionen. Erstens wird versucht, nicht so häufig umzuschalten. Die Buchhaltung bearbeitet Rechnungen zum Beispiel erst nach 16.00 Uhr. Würde sie alle Rechnungen sofort bearbeiten, müsste sie ständig umschalten und das verringert die Produktivität”. Das ist ein klassisches Beispiel für “lokale Optimierung”. Die Buchhaltung wird bei diesem Herangehen produktiver. Aus der Perspektive des Kunden sinkt die Effizienz des Unternehmens allerdings.

Die zweite Reaktion besteht darin, meine Arbeit so zu erledigen, dass niemand weiß, wie produktiv ich wirklich sein kann. Tatsächlich halten es Angestellte oft für dumm, sich mit ganzer Kraft ins Zeug zu legen und mit voller Kraft zu arbeiten: “wer fährt, der wird beladen”. Der unmittelbare Vorgesetzte ist ein erfahrener Profi. Er kann ein Arbeitstier von einem Bummler unterscheiden. Er hat jedoch vielleicht mehr davon, die Angestellten nicht unter Druck zu setzen und kommt ihnen entgegen. Er kann mehr Personal verlangen, wenn er behauptet, dass seine Angestellten unter der vielen Arbeit zusammenbrechen. Gehen alle anderen diesen Weg – die Abteilungsleiter – er dagegen engagiert sich für höhere Effizienz, dann verschwendet er im besten Fall Nerven und Gesundheit. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er mit Blick auf seine Karriere auf der Strecke bleibt, denn ein Chef hat umso mehr Einfluss, je mehr Untergebene er hat.

Jetzt zu den Schablonen. Das Messen und Normieren der Arbeitsproduktivität eines Arbeiters, der Routinearbeiten ausführt, ist kein Problem. Wie jedoch soll zum Beispiel das Arbeitsvolumen eines Programmierers gemessen werden? Anhand der Zahl der geschriebenen Strings? Dieses Herangehen ist verschrien, aber im Grunde ist bislang niemandem etwas Besseres eingefallen. Und bei allen Geistesarbeitern heißt es immer: “Er denkt nach”! Worüber er nachdenkt und ob er sich schließlich etwas ausdenkt, ist unklar, er wird jedoch für jede Arbeitsstunde bezahlt.

Vor hundert Jahren entdeckte ein gewisser Professor Ringelman einen Effekt, der später nach ihm benannt wurde. Der Professor maß, mit welcher Kraft eine Person ein Seil zieht und übergab das Seil dann einem Team aus zwei, dann drei usw. Leuten. Er kam zu folgendem Schluss: Zieht eine Person allein und sind alle ihre Kennziffern klar ersichtlich, zeigt sie den höchsten Einsatz. Ist der Person allerdings bewusst, dass sie sich entspannen kann und es niemand bemerkt, dann entspannt sie das, bewusst oder unbewusst. Je größer das Team, umso weniger Einsatz. Laut den Ergebnissen von Experimenten ziehen acht Personen nur mit halber Kraft.

Oder nehmen Sie das Gesetz von Parkinson, das lautet: Die Arbeit dauert so lange, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. Die im MIT durchgeführten bemerkenswerten Experimente von Dan Ariely, zeigen, dass die meisten Menschen nicht umhinkönnen, wenigstens ein wenig zu schummeln, wenn sie genau wissen, dass sie nicht ertappt werden können und wenn die Schummelei höchstens sehr abstrakt und entfernt Schaden anrichtet.

Wenn ein zusammenhängendes Team bereits Probleme bekommt, was ist dann dort zu erwarten, wo eingespielte Aktionen mehrere Unterabteilungen verlangt werden? Ihre Ahnung täuscht Sie nicht. Alle oben genannten Probleme mit der Produktivität verblassen angesichts des Problems der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit, d.h. angesichts von Aufgaben im Zusammenhang mit der Übergabe zwischen horizontalen Unterabteilungen einer Unternehmenshierarchie.

Wenn von einer funktional-hierarchischen Organisation ein Resultat verlangt wird, das die Zusammenarbeit mehrerer Abteilungen voraussetzt, kommt es zu Turbulenzen. Ein klassisches Beispiel ist das Verfahren “eine Bestellung planen”. Um dem potenziellen Auftraggeber ein Angebot machen zu können (d.h. Preise und Fristen zu nennen), wird die unterstützende Beteiligung folgender Abteilungen vorausgesetzt: 1.) Der Verkaufsmanager kommuniziert mit dem Kunden, 2.) die Ingenieure bestimmen, was woraus hergestellt wird, 3.) die Materialabteilung sagt, was das, “woraus” wir etwas machen, kostet, 4.) die Produzenten sagen uns, in welchen Fristen wir das herstellen können und 5.) die Ökonomen rechnen aus, was uns das alles kostet.

Ein streng hierarchisch organisiertes Unternehmen ist nicht in der Lage, vergleichbare Aufgaben in angemessener Frist und in angemessener Qualität zu lösen. Weshalb sollte die Produktion dem Verkauf unterstellt sein? Die einen wie die anderen haben ihre Chefs, ihr Personal, ihren Haushalt, ihre Effizienzkriterien… Was haben Sie gesagt? Kunden? Nie gehört.

Und das ist noch nicht einmal die schwierigste Aufgabe, denn bei der Auftragsplanung ändert sich der Arbeitsablauf von Bestellung zu Bestellung nicht. Es kommt jedoch vor, dass die Reihenfolge nicht vorhersehbar ist, weil Arbeit von Natur aus schöpferisch ist, wie geologische Erkundungen, die Arbeit einer Rechtsanwaltskanzlei vor Gericht usw. illustrieren.

Kommen wir zur Ausgangsthese zurück. Wie Sie sehen, alle diese Probleme erhalten wir als Zugabe zur Arbeitsteilung. Ein einzelner Meister hat diese Probleme nicht und kann sie gar nicht haben.

Das bedeutet, einerseits haben wir mit der Arbeitsteilung die Produktivität nominell gesteigert. Andererseits sind gleichzeitig Probleme aufgetaucht wie unklare Kennziffern, kollektive Verantwortung und isolierte Abteilungen, die unvermeidlich zu einer geringeren Produktivität führen. Je größer ein Unternehmen ist, umso höher sind diese parasitären Kosten. Nicht nur absolut, sondern auch relativ gesehen, denn das ist kein linearer Effekt. Das bedeutet, die unerwünschten Nebeneffekte der Arbeitsteilung setzen der Größe einer Organisation Grenzen, an die wir stoßen, weil die Produktivität nicht weiter wächst, sondern sich sogar verringert.

Wo liegt diese Grenze? Beginnen wir bei den Zahlen. Wenn wir berücksichtigen, dass der Produktionsprozess einfach gesteuert werden kann, weil er kein Multitasking kennt und die Kriterien der Produktivität eindeutig sind, eignet sich die Anzahl der “weißen Kragen” als Kennziffer der Größe eines Unternehmens. Das bezieht sich auf die Leiter aller Ebenen, die technischen wie die Verwaltung im Büro.

Die Größe, bei der die Kosten der Arbeitsteilung unzumutbar werden, hängt natürlich vom menschlichen Faktor ab, der Persönlichkeit des Chefs, der Unternehmenskultur, dem Alter des Unternehmens…. Deshalb ist es schwierig, sie eindeutig festzulegen. Der Punkt, an dem ernsthaft über die Kompensation der organischen Defekte des funktional-hierarchischen Managements nachgedacht werden muss, scheint jedoch offenbar bei den meisten Unternehmen im Bereich zwischen zwanzig bis einhundert Angestellten erreicht, als Mittelwert kann die Zahl fünfzig gelten (zur Erinnerung, es geht nur um die “weißen Kragen”).

Was ist zu tun, um die Defekte des funktionalen Managements zu kompensieren? Darum wird es im nächsten Beitrag gehen. Natürlich kann von einem Verzicht auf die Arbeitsteilung keine Rede sein. Es soll vorwärts gehen und nicht umgekehrt: die Vorzüge der Arbeitsteilung nutzen und die entstehenden Kosten kompensieren, darum geht es. [ad#author-belaychuk]


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